Am Rande der Oggauer Heide, wo der Wulkabach im Schilf
des Sees einschlummert, hat die Allmacht in einer Schöpferlaune sich
selbst einen Altar erhoben: einen grauen Stein auf einen grünen Hügel
gesetzt. Zu dem Stein führten vor nicht allzu langer Zeit im Volksmunde
Hexenleiter genannte Stufen. Die Sage vom Hexenkirtag am Hölzlstein
steht mit dem Gemeindegasthof in Schützen a. Geb. in Zusammenhang.
In
den Jahren, in welchen der von Josef II. zugefallene Krügelausschank
noch zu Recht bestand und die Weinbauern mit einem auf das Haustor gehängten
buntbemalten Krüglein die Zecher zu sich luden, kehrte ein Mattersburger
Hafner am Vorabend des Kirtags mit einem Wagen voll Töpferware im
besagten Hasthof von Schützen a. Geb. ein. Der Wirt begrüßte
ihn als alten Bekannten, stellte ihn seiner jungen Frau vor, die gut gewachsen
und mit einem hübschen Gesicht, schwarzhaarig war, aber sonderbarerweise
brandrote Augenbrauen hatte. So nebenbei verlautete er, die Frau stellte
sich schon wieder zu ihren Kochtöpfen, dass er sie genau zum Kirtag
vor einem Jahr zum erstenmal getroffen und bald darauf gefreit habe.
Als die Nacht herabsank, träumte der Mattersburger in seinem auf
dem Plachenwagen zurechtgemachten Strohlager von einer Ziege, die aus
der Wirtshausküche herauskam, die Tür absperrte, sehr vorsichtig
nach allen Seiten hin spähte und bei einer schmalen Öffnung
des Schilfrohrzaunes, der mit Latten beworfen, den Hof hinaus abschloss,
sich durchzwängte und vermutlich über die alte hölzerne
Wulkabrücke eilte.
Mit
dem ersten Hahnenschrei erwachte unser Hafner, guckte aus der Leinenplache
hervor, und was sah er? Dieselbe im Traum geschaute Geiß, jetzt
mit einem seidenen Fransentuch um die Schulter. Augenscheinlich fehlte
der in die Küche hineinwollenden Ziege der Schlüssel. Als der
Hafner vom Wagen sprang und mit der Peitsche auf die Ziege zuschritt,
zog sich diese mit ängstlichem Meckern in einen Hofwinkel zurück.
Der Hafner, nicht faul, langte nach ihren Hörnern und zog daran,
die Geiß wiederum spreizte die Beine und der Mattersburger schalt:
"Dich werde ich noch klein kriegen, du Dickschädel!" Schnallte
den Hosenriemen ab und band dem störrischen Tier die Füße
zusammen. Höhnisch kosend sagte er: "Seh, Daml, Seh!" und
nahm die Geiß auf den Rücken. Dem Mann gruselte, als er merkte,
dass die Ziege kein Gewicht hatte. Er warf sie auf eine Schütte Stroh
im Pferdestall und riegelte die Tür wieder ab. Hernach schlug er
Feuer zu einer Pfeife Tabak und wartete auf das Erwachen der Hausleute.
Dieses kündigte sich wie ein schweres Gewitter durch Donnergrollen
und grelle Blitze an. Der Wirt hatte lärmend die eisernen Fensterläden
aufgegrissen und schrie aufgeregt, wo sein Weib sei, wer die Tür
abgesperrt habe, was eigentlich in des Teufels Namen los wäre.
Der
Hafner half dem zornigen Mann beim Fenster heraus, erzählte ihm seinen
Traum und das nächtliche Erlebnis und betrat mit ihm den Pferdestall.
Da lag in einer Ecke mit verstörtem Gesicht, an Armen und Beinen
gefesselt, unter dem Kinn einen langen Ziegenbart, die Wirtin. Die Männer
erschraken heftig, der Wirt drohte umzusinken. Endlich fasste er sich
und bat seine Frau bei Gott und allen Heiligen, wahrheitsgetreu zu erzählen.
Stockend brachte das Weib vor: "Ich bin eine Hexe. Als mich vor einem
Jahr der Wirt kennen lernte, kam ich gerade vom Hexenkirtag am Hölzlstein
daher. Auch heuer war ich wieder dort, es waren viele Gäste anwesend
und es herrschte große Heiterkeit. Ein Bürgermeister mit einem
niedlichen Ziegenbärtchen sprach sehr dreist. Aus einem versteckten
Stollen des nahen Steinbruches brachte man Braten und süßen
Wein. Auf der Hexenleiter führten wir einen Besenreigen auf, dabei
dürfte ich den Küchenschlüssel verloren haben. Als ich
dann vom starken Wein benommen, heimkehrte, konnte ich nicht in die Wohnung
hinein."
Warum sie noch einen Geißenbart auf dem Kinn habe, wollte der Wirt
wissen. Die Frau antwortete: "durch das Einschmieren mit einer Salbe
kann ich mich in eine Hexe verwandeln. Zur Rückverwandlung brauche
ich griffiges Weizenmehl, im Notfall hilft auch gute Kleie, wie ich eine
Handvoll davon aus dem Barren im Pferdestall zusammenkratzen konnte. Gebt
mir ein bißchen Weizenmehl, damit ich auch den Ziegenbart verliere."
Während des Gespräches belebte sich die Straße. Wenn die
Leute erfahren, dass die Wirtin eine Hexe sei, werfen sie sie in den Brunnen.
Es musste schnell gehandelt werden. Der Wirt drückte seiner Frau
eine Tüte Weizenmehl in die Hand, der Hafner entband sie der Fessel
und hob sie in einen großen Buckelkorb aus Holzspan. "Zum Gehölz
beim Hölzlstein", bat die Hexe den Hafner als er den nun schweren
Korb auf den Rücken nahm.
Quelle: A. A. Harmuth, Volk u. Heimat IV, 1951, Nr.11, S.7.
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