An
Anfang dieses Jahrhunderts lebte in Oggau eine alte Frau, die von allen
Dorfbewohnern "d'Hex" genannt und sehr gefürchtet wurde,
da sie von wunderlicher Art war und sich oft unheimlich gebärdete.
So pflegte sie des Nachts, in ein weißes Leintuch gehüllt,
auf den Dorfgassen herumzuschleichen, in Toreingängen oder hinter
Mauervorsprüngen versteckt auf spät Heimgehende zu lauern und
sie durch unvermutetes, drohendes Auftauchen zu erschrecken. Ein junger
Bursche, der oft spät von seiner Braut nach Hause ging und dabei
einmal von der Hex' erschreckt worden war, beschloß zornig, dem
Unwesen ein Ende zu machen; er lauerte ihr mit einem Stecken bewaffnet
auf und verprügelte die Herumschleichende kräftig. Dieser Denkzettel
genügte, um dem Weiblein das Hexenspiel zu verleiden, und das weiße
Nachtgespenst wurde nie mehr gesehen. Die Oggauer Mütter warnten
ihre unfolgsamen Kinder aber noch lange: "Wart', dich holt die Hex!"
und beim Spiel auf dem Hölzlstein, einem großen Felsen auf
einer Anhöhe zwischen Oggau und Schützen, nennen die Kinder
eine Höhle unter einem Felsvorsprung immer noch "die Hexenküche".
Quelle: Wolfgang Meyer, Bgld. im Bild und Sage, Ed. Rötzer, Eisenstadt
1986 |